ESD - Die wichtigsten Grundlagen im Überblick
Was ist ESD?
Unter elektrostatischer Entladung versteht man den Ladungsaustausch zwischen zwei Körpern mit unterschiedlichen elektrischen Spannungen. Die elektrostatische Entladung, kurz ESD, erfolgt bei einem Aufeinandertreffen oder einer Trennung zweier unterschiedlicher Materialien. Auch durch Reibungen zweier Materialien entsteht ein elektrisches Potenzial.
Im Alltag begegnet uns die elektrostatische Entladung beispielsweise wenn synthetische Kleidung auf der Haut reibt oder beim Laufen über ungeerdete Kunststoff- oder Teppichböden. In industriellen Herstellungsanlagen kann eine Entladung beispielsweise beim Abrollen von PVC-Klebebändern, aber auch beim Bewegen von Förderbändern beobachtet werden.
Normen und Richtlinien
Zu einer umfangreichen Übersicht gehören natürlich auch die wichtigsten Normen. Die Elektrostatik und der Schutz vor ESD ist in einigen Normen aufgeführt. Dabei ist zu beachten, dass in diesen aktuell (Stand: Januar 2019) keine Aussagen zu Handschuhen zu finden sind. Es gibt also entgegen der gängigen Meinungen aktuell keine ESD-Normen für Handschuhe.
Die europäischen Normen nach ISO und die amerikanischen Normen nach ANSI unterscheiden sich nur gering, da beide Normen in Zusammenarbeit mit der International Electrotechnical Commission (kurz IEC) erstellt werden. Dies beruht auf der Mitgliedschaft der American National Standards Institute (kurz ANSI) in der Gruppe der IEC.
In der Tabelle sind die Normen mit den Bezeichnungen zusammengefasst. In der DIN EN 61340-4-1 “Elektrostatik Teil 4 Abschnitt 1” sind die Standard-Prüfverfahren für spezielle Anwendungen niedergeschrieben. Konkret wird im ersten Abschnitt der elektrische Widerstand von Bodenbelägen und verlegten Fußböden aufgenommen. Die DIN EN 61340-5-1 beschreibt den Teil 5 der Elektrostatik. Konkret sind im ersten Abschnitt die allgemeinen Anforderungen zum Schutz elektronischer Bauelementen gegen elektrostatische Phänomene niedergeschrieben. Im Abschnitt 2 ist ein Benutzerhandbuch veröffentlicht, die DIN EN 61340-5-2.
Die zuletzt überarbeiteten Normen “ANSI/ESD S20.20” und “ANSI/ESD S541” umfassen die Thematik der Verpackungen und der Entwicklung elektrostatischer Entladung-Steuerprogramme. Beide ANSI/ESD-Normen aus dem amerikanischen Raum dienen vorrangig dem Schutz ESD-empfindlicher elektronischer Bauteile und Geräte.
Warum ist ein ESD-geeignetes Verhalten so wichtig?
Personen stellen abhängig der genannten Szenarien die Hauptquelle elektrostatischer Aufladungen dar. Die Schäden, welche durch elektrostatische Entladungen entstehen können, sind vielfältig und irreversibel. Neben der materiellen Betrachtung sollten auch die erheblichen Qualitäts- und kundenseitigen Vertrauensverlust berücksichtigt werden.
Statische Entladungen werden bei geringen Luftfeuchtigkeiten von unter 30 % erheblich verstärkt. Auch die Luft kann sich zudem elektrisch aufladen. Dies geschieht beispielsweise wenn die Luft über isolierte Flächen hinweg bewegt wird. Dabei können Entladungen von mehr als 20 kV entstehen, die sich durch geringere Luftfeuchtigkeiten weiter verstärken können. Eine kontinuierliche Überwachung der Luftfeuchtigkeit ist deshalb erforderlich. Die erste Vorbeugemaßnahme für den Schutz vor ESD-Schäden sollte demnach die Erhöhung der Luftfeuchtigkeit auf ca. 45 % sein. Dabei bildet sich ein sehr dünner Feuchtigkeitsfilm auf den herzustellenden Bauteilen, welcher die Oberfläche soweit leitfähig macht, dass sich Ladungen nicht ansammeln. Gleichzeitig bleiben Korrosionsschäden der Bauelemente aufgrund hoher Luftfeuchte äußerst unwahrscheinlich. Auch wird für die Mitarbeiter ein angenehmes Arbeitsumfeld geschaffen, da eine zu geringe Luftfeuchtigkeit beispielsweise zur Austrocknung der Nasenscheidewand führen kann.
ESD-gerechte Materialien als Vorbeugemaßnahmen
Weitere Vorbeugemaßnahmen sind der Einsatz von ESD-gerechten Materialien. Um eine Eignung der Materialien zu prüfen wird oft der Oberflächenwiderstand oder die Abklingzeit der erzeugten Ladung gemessen. Bei der Messung des Oberflächenwiderstand können allerdings die Ergebnisse aufgrund der Garnwebung variieren, weswegen die Messung der Abklingzeit bevorzugt werden sollte.
Bei den Materialien wird zwischen abschirmenden, leitfähigen, dissipativen und isolierenden Materialien unterschieden. Abschirmende Materialien wirken wie ein Faradayscher Käfig, verhindern einen Stromdurchgang und dämpfen die elektrostatische Entladung positiv. Erreicht wird dies durch Einbringung von Metall- oder Karbonelementen, die das Spannungsfeld verkleinern.
Leitfähige Materialien besitzen geringe Widerstände (< 105 Ω) und beschleunigen das Abfließen elektrischer Ladungen durch angelegte Erdungen. Beim Menschen wird beispielsweise eine natürliche Leitfähigkeit durch die Schweißschicht auf der Haut erreicht. Aufgrund der Bekleidung kann diese jedoch nicht ihren Einsatz erfüllen, weswegen die Mehrwegbekleidung entsprechend angepasst werden sollte.
Dissipative Materialien gleichen durch einen Oberflächenwiderstand, welcher zwischen 105 Ω und 1012 Ω liegt, Potentialdifferenzen in kürzester Zeit aus.
Isolierende Materialien werden in Reinräumen nicht empfohlen, da diese einige Nachteile mit sich bringen. Zum Einen sind sie schwer zu erden, zum Anderen wird die statische Ladung an einer Stelle des Materials gehalten und kann nicht abfließen. Bei leitfähigen Materialien muss bei den eingesetzten Reinigungsmitteln darauf geachtet werden, dass diese keine Schichten hinterlassen. Besonders zu empfehlen sind daher ESD-Kautschuk- oder Polymerbodensysteme, dessen Reinigung lediglich mit Pads und Wasser erfolgen. Ist der Einsatz von Reinigungsmittel unverzichtbar, sollte dieses gefiltert sein, um partikuläre Verunreinigungen im Reinraum zu vermeiden, weswegen wir für viele Bereiche dieses spezielle Reinigungsmittel empfehlen
Grundlegende Verfahren zur Verhinderung von ESD-Schäden
Grundlegend lassen sich die Vorgehensweisen in die drei Bereiche Erdung, Abschirmung und Neutralisierung gliedern.
Die Bekleidung ist ein Beispiel der Abschirmung. Durch in der Bekleidung eingebrachte leitfähige Fasern wird ein statisches Feld gedämpft. Um die Gefahr durch Personen weiterhin kontrollieren zu können, werden häufig Erdungssysteme verwendet. Um eine sichere Erdung gewährleisten zu können ist es wichtig, dass der ESD-gerechte Boden direkt mit einer Erdleitung verbunden ist und durch eingebrachte Kupferbänder ein einheitliches Potential herrscht. Die Erdung von Personen erfolgt vorrangig mittels Arm- oder Fußbändern. Dabei leiten die Bänder die Ladung sicher vom Menschen ab. Durch ein Kabel, welches am einen Ende über ein Arm- oder Fußband am Körper befestigt ist und mit dem anderen Ende geerdet (Earth bonding point, EBP) ist, werden Ladungen abgeleitet.
Eine dissipative Möglichkeit wird durch das Tragen von Handschuhen ermöglicht. Durch die Erhöhung des Durchgangswiderstands wird die Entladungsgeschwindigkeit herabgesetzt.
Ein Verfahren zur Neutralisierung oder Verhinderung von ESD-Schäden wird durch Ionisiergeräte erreicht. Diese Geräte neutralisieren elektrostatische Ladungen, indem Ventilatoren große Mengen an positiven und negativen Ionen erzeugen und verteilen. Durch Ionisiergeräte wird nicht nur die Ladung der Luft, sondern auch geladene Oberflächen neutralisiert. Oberflächen ziehen positive und negative Ionen an, wodurch die Fläche neutralisiert wird. Gerne helfen wir Ihnen bei der Auswahl eines passenden Gerätes.
ESD protected area
Innerhalb von ESD-geschützten Zonen, sogenannten EPA, sollten dringend alle Ausrüstungsgegenstände leitfähig und dissipativ ausgestattet sein. Dissipativ wirken beispielsweise Arbeits- und Fußmatten, Handschuhe oder Schuhe. Auch kann eine solche Wirkung durch einen ESD-Überschuhe erreicht werden.
Die Verwendung von Verpackungen in EPA sollten gut gewählt sein, denn neben dem physikalischen Schutz schützen Schutzverpackungen die hergestellten Bauteile auch vor direkten und unkontrollierten Entladungen und ermöglichen ein schnelles Abfließen der entstandenen Ladung. In der Norm IEC 61340-5-1 werden zwei Arten an Verpackungen aufgelistet, die in ESD-Schutzzonen verwendet werden sollten:
- direkt anliegende Verpackung: Die Verpackung ist im direkten Kontakt mit dem Bauteil.
- umhüllende Verpackung: Die Verpackung umhüllt das Bauteil, ohne es direkt zu berühren.
Bei der Auswahl geeigneter Verpackungen sollte grundsätzlich auf die Partikelbelastung geachtet werden.
Prüfverfahren
Alle eingesetzten ESD-Materialien und Gerätschaften innerhalb und außerhalb der EPA sollten gemäß der ESD-Norm IEC 61340-5-1 in regelmäßigen Abständen kontrolliert und geprüft werden. Als Prüfparameter sollten neben der Abklingzeit auch der Widerstand und die Spannung gemessen werden, die in Zusammenhang mit den herrschenden Temperatur- und Luftfeuchtigkeiten gesetzt werden. Bei der Erhebung der Ableitwiderstände von Personen sollte die Kombination aus Schuhwerk, Bekleidung und Boden betrachtet werden.
Personen und Besucher
Da der Mensch die größte Gefahr im ESD-Bereich ist, sollte dieser entsprechend geschult und sich seiner Verantwortung bewusst sein. Durch Trainingsmaßnahmen wird Mitarbeitern der Gebrauch von Erdungsmaßnahmen und die Überprüfung korrekt angelegter Erdungen gelehrt. Ebenfalls kann durch visuelle Mittel wie Schildern eine erhöhte Aufmerksamkeit erreicht werden. Durch ein Team, welches für die ESD-Sicherheit produktseitig, aber auch personalseitig verantwortlich ist, sollte ein ESD-Schutzprogramm kontinuierlich verbessert werden.
Lesen Sie hier einen weiteren Teil unserer ESD-Serie zum Thema reinraumgerechte Bekleidung